FXAND vs. FXPAC: Unsere Stellung und diejenige des europäischen Netzwerks über diese Terminologien
Anlässlich seiner Tagung im niederländischen Rotterdam am 29. September 2019, der European Fragile X Network, ein Netzwerk von Fragiles-X-Organisationen aus ganz Europa (EFXN), diskutierte den im vergangenen Jahr aufgetauchten Begriff FXAND („Fragile X Associated Neuropsychiatric Disorders“) sowie aktuelle Forschungsergebnisse zu Erkrankungen, die im Zusammenhang mit der Fragiles-X-Prämutation stehen. Seines Erachtens ist der Begriff FXAND nicht geeignet. EFXN schlägt die Schaffung eines übergreifenden Begriffs vor, um die Gesamtproblematik im Zusammenhang mit der FMR1-Prämutation abzudecken: Fragile X Premutation Associated Conditions = FXPAC.
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Der Fraxas Verein ist der schweizerische Teil des European Fragile X Network, einem Netzwerk von Fragiles-X-Organisationen aus ganz Europa, die sich jährlich treffen, um wichtige Fragiles-X-Themen zu erörtern und voneinander zu lernen.
Das EXFN diskutierte auf seiner Tagung im niederländischen Rotterdam am 29. September 2019 den im vergangenen Jahr aufgetauchten Begriff „FXAND“ (»Fragile X Associated Neuropsychiatric Disorders«) sowie aktuelle Forschungsergebnisse zu Erkrankungen, die im Zusammenhang mit der Fragiles-X-Prämutation stehen.
In den Diskussionen wurden mehrere Bedenken identifiziert:
• Der Begriff FXAND, bei den neuropsychiatrischen Erkrankungen mit nichtneuropsychiatrischen Erkrankungen unter einem Begriff zusammengefasst wurden, ist in dieser Form verwirrend.
• FXAND kann durch Verwendung des Wortes »Disorder« zu einer Stigmatisierung von Prämutationsträgern führen, einschließlich sozialer oder beruflicher Ausgrenzung. Die Verwendung von »Condition« (= »Zustand«) anstelle von »Disorder« (= »Störung«) wird vom EFXN bevorzugt, da es umfassender ist und keine Einschränkung darstellt.
EFXN schlägt die Schaffung eines übergreifenden Begriffs vor, um die Gesamtproblematik im Zusammenhang mit der FMR1-Prämutation abzudecken: Fragile X Premutation Associated Conditions = FXPAC. Dieser Sammelbegriff umfasst die folgenden speziellen Erkrankungen
• FXTAS (Fragiles-X assoziiertes Tremor-/Ataxie-Syndrom)
• FXPOI (Fragile X assoziierte Primäre Ovarial-Insuffizienz)
• FXANC (Fragile X Assoziierte Neuropsychiatrische Conditions (=Erkrankungen)), wobei hier das Wort „Disorder“ in FXAND durch „Conditions“ ersetzt wird
• FXVAC (Fragile X Verschiedentlich Assoziierte Conditions ) für alle anderen, nicht-psychiatrischen Erkrankungen (wie Autoimmunerkrankungen, chronische Müdigkeit, Fibromyalgie etc.), die nicht unter FXANC fallen, sondern unter FXVAC zusammengefasst sind.
Es ist davon auszugehen, dass weitere Untersuchungen diese Begriffe präziser definieren und/oder ergänzen werden. Auch ist die Wechselbeziehung zwischen den verschiedenen FXPAC-Erkrankungen bislang zum großen Teil nicht bekannt. Einige Prämutationsträger sind scheinbar nicht betroffen, bei anderen treten teilweise Erkrankungs-Kombinationen auf.
Seit dem Treffen im September 2019 haben die einzelnen Fragiles-XFamilienorganisationen europäischer Länder die Verabschiedung der Terminologie FXPAC gebilligt. Das European Fragile X Network bittet Forscher und Kliniker respektvoll, FXPAC zu verwenden, wenn allgemein auf Erkrankungen Bezug genommen wird, die Träger der FMR1-Prämutation betreffen können.
Der einheitliche Begriff FXPAC bedeutet für einen Arzt mit einer Patientin oder einem Patienten mit der FMR1-Prämutation einen Ansatzpunkt, um im Rahmen der Teilerkrankungen festzustellen, welche den Patienten betrifft und welche nicht. Darüber hinaus soll der Begriff Forschern helfen, die Wechselwirkungen zwischen diesen Teilerkrankungen weiter zu untersuchen.
FAQ
Hintergrund
Die Erkrankungen, die im Zusammenhang mit der FMR1-Prämutation stehen und die Frage, wann diese auftreten, werden weiter erforscht. Bekannt sind das Fragile Xassoziierte Tremor/Ataxie-Syndrom (FXTAS) und die Fragile X assoziierte Primäre Ovarial-Insuffizienz (FXPOI). Jüngere Forschungsergebnisse legen jedoch nahe, dass Menschen, die Prämutationsträger sind, auch einige nicht unter FXTAS und FXPOI fallende psychische und physische Symptome mit höherer Wahrscheinlichkeit als in der Allgemeinbevölkerung aufweisen. Dies wurde durch Studien mit Trägern der FMR1-Prämutation (normalerweise mit einem Kind oder Enkel mit Fragilem-X Syndrom, siehe zum Beispiel: ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4121434). Auch gab es in jüngerer Zeit Untersuchungen, bei der die Gesundheitsakten einer großen Stichprobe von Menschen in der Allgemeinbevölkerung (advances.sciencemag.org/content/5/8/eaaw7195) betrachtet wurden, von denen einige Prämutationsträger waren. Es ist wichtig, dass weitere Untersuchungen durchgeführt werden, um alle möglichen Auswirkungen der FMR1-Prämutation vollständig zu verstehen und dadurch Diagnostik, Versorgung und Hilfe für alle Menschen mit der Fragile X-Prämutation zu verbessern.
Welche Symptome sind mit FXPAC verbunden?
Obwohl die Forschung keineswegs abgeschlossen ist, konnte festgestellt werden, dass die folgenden Symptome (zusätzlich zu denjenigen, die mit FXTAS oder FXPOI verbunden sind) bei Menschen mit der FMR1-Prämutation gehäuft auftreten:
• Angst- und Angststörungen.
• Niedergeschlagenheit und Depressionen.
• Ausgeprägte Merkmale im Zusammenhang mit Autismus, z. B. Unterschiede bei der Verarbeitung sozialer Informationen und der Verwendung sozialer (pragmatischer) Sprache. Bemerkenswerterweise bezieht sich dies eher auf subtile Merkmale, die in der allgemeinen Bevölkerung in unterschiedlichem Maße auftreten, denn auf Symptome von Autismus an sich, obwohl bei einer kleineren Anzahl von Personen eine Diagnose von Autismus durchaus angebracht sein könnte.
• Bei Patienten mit der FMR1-Prämutation wurden auch häufiger körperliche Symptome wie chronische Müdigkeit, chronische Schmerzen, Fibromyalgie, Autoimmunerkrankungen und Schlafstörungen festgestellt.
Es werden derzeit Untersuchungen durchgeführt, um die unterschiedliche Ausprägung dieser Symptome bei Mädchen/Frauen im Vergleich zu Jungen/Männern, sowie die Art und Weise zu erforschen, in der sie sich über die gesamte Lebensdauer hinweg entwickeln. Darüber hinaus ist es wichtig zu berücksichtigen, inwieweit die Ausprägung solcher Symptome durch Stressfaktoren wie z. B. der Pflege von Angehörigen (insb. mit Fragiles-X Syndrom oder FXTAS) oder Umweltfaktoren beeinflusst wird. Weitere Untersuchungen sind nötig, um die ganze Bandbreite der physischen, kognitiven und psychischen Merkmale, die mit der FMR1-Prämutation in Verbindung gebracht werden können, zu verstehen.
Es ist dabei wichtig zu betonen, dass viele der Symptome auch in der Allgemeinbevölkerung auftreten. Die bisherigen Forschungsergebnisse legen jedoch nahe, dass Menschen mit der Prämutation ein höheres Risiko für einige der oben genannten Symptome haben. Darüber hinaus können sich diese Merkmale für viele auf subtile Weise darstellen, ohne das tägliche Leben signifikant zu beeinträchtigen. Ein Teil der Menschen, die Träger der FMR1-Prämutation sind, leidet jedoch unter Symptomen, die sich spürbar negativ auf sie auswirken. Ein Träger zu sein, bedeutet aber nicht, dass diese Symptome unvermeidlich sind, und eine Behandlung sollte für diese Symptome genauso gesucht werden wie bei jedem anderen Menschen auch. Das Ziel der Untersuchungen der Auswirkungen der FMR1-Prämutation ist es zu verstehen, warum diese Symptome auftreten und wie sie möglicherweise zusammenhängen. Möglichkeiten gezielter Behandlungen sollen gefunden werden, um den Betroffenen zu helfen, ihre Symptome zu verstehen und eine ordnungsgemäße Beurteilung und Anerkennung durch Ärzte sicherzustellen.
Was ist FXPAC?
FXPAC steht für Fragiles-X Prämutations-Assoziierte Conditions (≈ Gesundheitsbeeinträchtigungen/ Erkrankungen). FXPAC wurde vorgeschlagen, um die breite Palette von Symptomen, die Träger der FMR1-Prämutation betreffen können, unter einem Sammelbegriff zu fassen.
Warum wurde FXPAC eingeführt?
Es bestand Bedarf an einem Sammelbegriff, der alle Erkrankungen umfasst, die FMR1-Prämutationsträger betreffen.
FXPAC soll Forschern bei der Untersuchung der Auswirkungen der Prämutation helfen. Es hilft Prämutationsträgern mit den unterschiedlichen Krankheitssymptomen, eine medizinische Diagnose zu erhalten und die Ursache benennen zu können.